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Warum quilten wir?? Achtung, Werbung für Kreativität…

Wenn ich einen Einsteigerkurs ins Quilten gebe, gibt es immer Teilnehmerinnen, die am Lautesten fluchen und schimpfen, mit den amerikanischen Maßeinheiten, dem Rollschneider und der Nähmaschine kämpfen…das sind dann meistens diejenigen, die für lange, lange Zeit nicht mehr vom Quilten loskommen werden.

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Ich habe mir die Frage nie gestellt, ob wir jetzt genügend Decken im Haus haben…aber es gibt doch einige Menschen, die genau das tun. Ich sehe manchmal die Ratlosigkeit in den Gesichtern meiner (Nicht-quiltenden) Freunde…Warum macht sie das, fragen sie sich. Grundsätzlich hat das moderne Quilten ja auch wenig praktischen Nutzen…wir zerschneiden teure Stoffe und setzen sie auf eine komplizierte Art und Weise wieder zusammen. Als bodenständige Schwäbin habe ich durchaus Verständnis für die Sinnfrage an dieser Stelle. Meine Eltern und Großeltern haben Bäckereien betrieben, bei der handwerklichen Herstellung eines Brotes stellt niemand eine Sinnfrage… und auch das Nähen von Kleidung hat einen Zweck. Vor allem in Zeiten wie diesen, wo industriell hergestellte Kleidung unter mehr als fragwürdigen Bedingungen produziert wird.

Für mich hat Quilten nichts damit zu tun, ob ich genügend Decken habe…einfach alles daran macht mich sehr, sehr zufrieden.

Die Frage nach dem „Warum?“ ist manchmal einfach nicht die Entscheidende…Warum singen wir? Warum malen wir ein Bild? Es wäre jede Menge weniger Freude und Licht in der Welt, wenn wir immer „Warum“ fragen würden. Wenn man Quilten als Kunst begreift – und nach meiner Meinung ist es genau das – ist es dann sinn-voller?

Vor Jahren wollte ich mich bei einem Künstlermarkt mit einem Stand anmelden. Die Organisatorin meinte dann, meine Arbeiten wären „nur“ Kunsthandwerk, keine Kunst. Ach so? Wo genau bitte, ist die Trennlinie? Und wenn man Kunst im Alltag benutzt, ist sie dann weniger wert? Was ist dann Design? Ist eine Decke weniger wert als ein Bild, das an die Wand gehängt wird?

In Amerika, Australien und anderen Ländern ist Quilten weitaus mehr in der Tradition verankert… ich hatte meinen allerersten Quiltmoment bei dem Film von Wynona Ryder…“Ein amerikanischer Quilt“. Hände hoch, wer diesen Film auch über alles liebt!! Ryder spielt eine junge Frau, die bald heiraten wird. Den Sommer davor verbringt sie in ihrem Heimatort. Die Frauen dort beginnen mit einem Hochzeitsquilt für sie. Jede gestaltet einen Teil des Quilts und die einzelnen Lebensgeschichten dieser Frauen werden erzählt…ein sehr berührender Film über Frauen im 20. Jahrhundert.

Ganz früher ging es wirklich darum, aus Stoffresten etwas zusammenzusetzen, das wärmt…entweder als Decke oder als Wandbehang vor zugigen Fenstern und Türen. Textilien waren einfach auch nicht so billig wie heute und wurden deshalb allein aus Notwendigkeit wieder verwendet. Aber das haben Frauen schon immer auch mit Liebe zum Details und mit einem Blick auf Farben und Formen gemacht…. Ein schönes Beispiel ist die Geschichte um Gee`s Bend, ein toller Bericht dazu ist auf artsy zu finden. https://www.artsy.net/article/artsy-editorial-alabama-women-made-quilts-modern-art (Danke Andrea Kollath für diese Inspiration!)

So konnten Frauen, sich auch ungestört treffen und austauschen. Für viele Frauen, die nicht im klassischen Sinn berufstätig waren, war das sicherlich auch eine Möglichkeit, Anerkennung außerhalb Ihres Hauses zu finden.

Das Gemeinschaftsgefühl beim Quilten erlebe ich sowohl in Kursen, die ich besuche, als auch in den Kursen im Nähzimmer. Und zum Glück leben wir in einer Zeit, in der wir uns weltweit vernetzen und austauschen können…Quilterinnen fühle ich mich immer direkt verbunden, wir sprechen einfach dieselbe Sprache.

Wenn man die Grundstrukturen der Quiltblöcke einmal verinnerlicht hat, finde ich die Herausforderung so spannend, ein Muster zu dechiffrieren…ich sehe ein Quilt-Foto, einen Quilt in einer Ausstellung, einem Geschäft, bei einer Freundin… und die erste Frage ist:“ wie wurde das gemacht?“ Das zu Entschlüsseln macht mir weit mehr Freude als ein SuDOKU oder eine Knobelaufgabe…(ehrlich gesagt, hasse ich das).
Es gibt immer etwas Neues zu sehen und zu entdecken, da so viele Menschen weltweit quilten, ist das ein einziges Feuerwerk an Ideen, das da zu sehen ist…Pinterest, Instagram, Facebook…. Unzählige Gruppen, Quilt-Alongs, Communities… ein grenzenloses Meer an Möglichkeiten.

Ich bin wirklich sehr stolz darauf, ein so altes und traditionelles Handwerk zu erlernen und mein Wissen weiterzugeben. Traditionen sind etwas Wunderbares, wenn sie nicht steif und verknöchert daherkommen.

Quilten hat sich gewandelt, auch wenn es manchmal mit dem Image behaftet ist, ein Hobby für das Rentenalter zu sein, wie die Bekannte einer Bekannten mal zu mir gemeint hat. Vielen Dank nochmal für den Hinweis, selbstverständlich quilte ich, weil mir mit meinen drei Kindern und einer klitzekleinen Selbständigkeit unendlich langweilig ist. Das ist wirklich unglaublicher Schwachsinn und zeigt, daß da Jemand so gar keine Ahnung hat.

So viele coole und moderne Ladies und Gents jeden Alters sind in diesem Business am Start, die die Klaviatur moderner Medien, Fotografie, Texten und Design brillant verstehen und umsetzen… es ist eine Freude, diesen KünstlerInnen zuzusehen, sei es in Büchern oder Blogs, in social media oder im echten Leben.

Moderne DesignerInnen gestalten heute unglaublich schöne Stoffe, in einer Auswahl, wie es sie noch nie gab. Inspirationen und Anleitungen sind nur einen Klick entfernt. Wir haben Zugang zu jeder Menge Information und können die GestalterInnen auch oft direkt kontaktieren, Kurse besuchen zu unterschiedlichsten Themen… das ging so easy-peasy vor 15 Jahren noch nicht.

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Dieser künstlerische Ausdruck, der Austausch, die unendlichen Variationen, die Anerkennung von außen, das Kennenlernen von Menschen mit derselben DNA… das ist der eine Teil.

Der andere Teil ist, dass das, was wir da gestalten… es bleibt. Länger als ein gekochtes Mittagesssen, ein gewaschenes Shirt und ein gewischter Flur. Unsere Quilts für Babys sind Erinnerungsstücke, die man nie vergißt… und ein Quilt kann Jemanden trösten, auch wenn wir gerade gar nicht da sind. Oftmals gestalte ich private Quilts mit Erinnerungsstoffen aus bestickten Taschentüchern, Tischdecken oder Bettwäschen meiner Großeltern. Wo würden diese Stoffe sonst landen? In einer Kiste mit Mottenkugeln? So halten sie die Urenkel warm und die Erinnerung lebendig. Das ist einfach so viel besser….

Und dann ist da ja noch der komplette kreative Prozess.. Stoffauswahl, Gestaltung, das Spielen mit Farben und Mustern…das Auseinandersetzen mit der Geschichte einzelner Blöcke und Quilts, das immer wieder neu Überlegen, wie man das Quilt-Top (die Vorderseite) gestaltet.

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Das Nähen an sich ist eine reine Freude…zu sehen, wie sich die Stücke zusammenfügen und eine Idee Gestalt annimmt. Das eigentliche Quilten, das Zusammensetzen der Vorder- und Rückseite mit dem Vlies dazwischen ist ein wirklich meditativer Prozeß…ich merke oft, wie die Gedanken dabei wandern und wandern….

Käthe Kruse wird das Zitat zugeschrieben, dass, wenn etwas von Herzen mit der Hand gemacht wird, es über die Hand wieder zum Herzen gehen wird. Deshalb werden wir von handgemachten Dingen weit mehr berührt, als von gekaufter Industrieware.

Was ist für Euch der Sinn und Zweck beim Quilten? Wie seid Ihr zum Quilten gekommen? Bin gespannt, das zu hören… Ach, und für alle, die noch nicht quilten…im Nähzimmer gibt es Kurse und bald auch offene Näh-Abende. Einfach rumkommen. Es macht viel Freude, versprochen!!

 

 

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